Das erste Bruckner-Fest

Es bleibt ewig ein Ruhmesblatt in der wechselvollen Geschichte der Liedertafel Frohsinn in Linz, das Gründungsfestkonzert vom 15. April 1886 völlig Bruckners Schaffen gewidmet zu haben. Unter Wilhelm Floderers Stabführung wurden dabei die Männerchöre "Germanenzug" und "Um Mitternacht", das "Adagio" aus der III. Symphonie und das "Tedeum" würdig herausgebracht. Das als ungeheuer schwierig, ja unsangbar verschriene "Tedeum" erklang damals zum erstenmal in Oberösterreich. Der neue ungewohnte Stil machte Musikern wie Sängern gleich zu schaffen. Ein Solotenor nach dem andern legte die Partie zurück, "weil man so etwas überhaupt nicht singen könne". Der Chor verlor von einer Probe auf die andere immer mehr den Mut. Floderers Humor und Willenskraft besiegte aber doch alle Schwierigkeiten. Die Aufführung wurde Bruckners erster großer Erfolg in seiner Heimat und war das erste Bruckner-Fest.
Der Meister wohnte dem Konzerte bei und war dort schon Gegenstand begeisterter Huldigungen. Im anschließenden "Bruckner-Festkommerse" steigerten sich die Ehrungen zu stürmischem Jubel. Vorstand Milbeck hielt eine zündende Festrede und Professor Commenda kommandierte einen feierlichen Ehrensalamander: "In honorem nostri ilustrissimi ac fidelissimi magistri, professoris Antonii Bruckner, surgite!" Brausender Beifall begleitete die akademische Ehrung. Sie machte Bruckner besondere Freude, weil er darin den Beweis sah, wie hoch er sich aus eigener Kraft emporgearbeitet hatte. In tiefster Rührung und anfänglich mit der eigenen Ergriffenheit kämpfend, sagte er unter anderem: "Meine Herrschaften! Es ist leider wahr, dass ich schwere Jahre durchgemacht hab …, dass Missgunst und alles das, was man et will, zusammengewirkt hat, damit mir das Leben recht schwer worden is." Er gedachte dann in warmen Worten seiner großen auswärtigen Förderer: Wagner-Bayreuth, Nikisch-Leipzig, Levi-München, Richter-Wien, und fuhr fort: "Aber alles das is mir noch ferner gestanden als der heutige Tag. Der heutige Tag is wirklich ein großer Tag. Mein heißgeliebtes Vaterland Oberösterreich hat sich heute meiner angenommen, es hat sich trotz der großen Erniedrigungen, die ich in drei Wiener Blättern erfahren hab, meiner angenommen und heut mein ,Tedeum‘ in einer so ausgezeichneten Weise zur Aufführung gebracht, dass ich es mein Lebtag nimmer vergessen werde." Er schloß mit den Worten: "Wollen Sie die Gewogenheit haben und auch in Zukunft meiner gedenken! Alle meine lieben Freunde und Gönner, meine Heimat, sie leben hoch, hoch, hoch!"
Bruckner hat mit diesen Dankesworten nicht zuviel gesagt. Freilich, auf dem steilen Dornenpfade, der den armen Schulgehilfen Anton Bruckner zur Höhe der Weltgeltung führte, war der oberösterreichischen Sängerschaft nur ein kurzes Stück Weggenossenschaft beschieden. Die aber wurde von entscheidender Bedeutung für Bruckners gesamte Entwicklung. Der herzliche Verkehr mit den Linzer Sangesbrüdern erschloß dem bisher weltfremden Landschulmeister einen treuen Freundeskreis und damit eine Quelle seelischer Stärkung wie gesteigerten Lebensgefühles. Gerade seine Linzer Sängerbeziehungen ebneten ferner Bruckner den Weg in die Residenzstadt, zum Hof und zur Hochschule. Denn nicht der zünftige Verstand der zünftigen Verständigen, sondern das triebhafte Ahnen der alten und jungen Sänger hatte Bruckners Größe zuerst erfasst. In Linz vollzog sich in Bruckner weiter die entscheidende Wandlung vom ausübenden zum schöpferischen Meister. Angeeifert durch seine großen Erfolge als Chormeister und im Vertrauen auf seine gründliche Schulung durch Linzer Musiklehrer, wurde aus dem zeitgebundenen Orgelvirtuosen der unsterbliche Tondichter. In Linz wie ganz Oberösterreich fand Bruckner auch in der Sängerschaft und den ihr nahe stehenden Kreisen mutige Gefolgschaft und das zu Zeiten, da ein Eintreten für ihn noch alles eher denn selbstverständlich war. Aus Sängerkreisen wuchsen ihm endlich fast alle seine Biographen, die Gründer und Führer des Bruckner-Bundes, die Gestalter der Bruckner-Festwochen empor. Wenn heute Bruckners überragende Bedeutung allgemein gewürdigt wird, so hat die Sängerschaft Oberösterreichs ihr ehrlich und redlich Teil daran.
Kommerslieder, Sängersprüche und Reden beschlossen den Abend. Unmittelbar darnach fuhr Bruckner nach Wien zurück. In einem Schreiben vom 20. April 1886 dankt er nochmals und schließt: "Ausgezeichnete künstlerische Leistungen haben alle vollbracht! Freundschaft und Liebe erflehe ich von allen meinen innigstgeliebten Oberösterreichern. Die Liedertafel Frohsinn und ganz Oberösterreich lebe, hoch, hoch, hoch!"

Quelle: Hans Commenda: Geschichten um Anton Bruckner", Verlag H.Muck