Eigenartige Orgelthemen

Bei der Tausendjahrfeier des Stiftes Kremsmünster im Jahre 1877 spielte Bruckner zum Hochamte die Orgel. Am Vorabend, in feuchtfröhlicher Runde, hatte er nach langem Sträuben sich überreden lassen, die ihm als Chormeister wohlbekannte Weise des "Jägers aus Kurpfalz" in sein Orgelspiel einzuflechten. Er hielt denn auch Wort; freilich so gewandt und so gewandelt klang das Thema, dass nur der Eingeweihte es aus dem Brausen der Tonfluten heraushörte. Nachher überhäufte Bruckner seine "Verführer" mit Vorwürfen, wie sie ihn "zu einer Todsünd verleitet hätten.
Zwei Jahre später, im Sommer, sollte Bruckner die Stiftsorgel in St. Florian hohen Offizieren vorführen. In der Schwimmschule, wo er vorher mit Studenten des Stiftsgymnasiums zusammen war, hatte man ihm scherzweise geraten, über das Signal "Retraite!" zu phantasieren. Ein Kleriker pfiff ihm – die übrigens wundervoll ergreifende – Weise vor, der Meister war sofort hell begeistert und führte dann wirklich mit gewohnter Meisterschaft das Thema auf der Orgel durch. Er brauchte sich dessen auch wahrlich nicht zu schämen. Denn die altösterreichischen Militärsignale stammten von keinem Geringeren als Michael Haydn!

Quelle: Hans Commenda: Geschichten um Anton Bruckner", Verlag H.Muck