Richard Wagner gewidmet

Auf das erste Blatt seiner III. (d-moll) Symphonie setzte Bruckner mit eigener Hand die Worte: "Sr. Hochwohlgeboren Herrn Richard Wagner, dem unerreichten weltberühmten und erhabenen meister der Dicht- und Tonkunst, in tiefster Ehrfurcht gewidmet von Anton Bruckner." Die Vorgeschichte dieser Widmung ist folgende:
Auf die höfliche und dringliche briefliche Bitte Bruckners an Wagner, ihm seine letzten Werke vorlegen zu dürfen, war nie eine Antwort eingelangt. So faßte sich Bruckner denn ein Herz und fuhr nach seinem Kuraufenthalt in Marienbad im September 1873 kurz entschlossen selber nach Bayreuth. Wagner, eben mit dem Bau seines Festspielhauses beschäftigt, weigerte sich zuerst, die Partituren der ihm zur Prüfung vorgelegten II. (e-moll) und III. (d-moll) Symphonie zu lesen. Erst auf das de- und wehmütige Drängen Bruckners hin sah er die II. Symphonie schließlich flüchtig an und humste ein "recht gut!". Dann nahm er die III. vor und vertiefte sich mit den Worten: "Schau, schau, ah was! ah was!" immer mehr in sie. Schließlich behielt er sie zur genauen Durchsicht zurück. Da nahm Bruckner all seinen Mut zusammen und äußerte zaghaft seine Absicht, dieses Werk seinem über alles verehrten "Meister der Meister" zu widmen. Wagner versprach ihm, abends Bescheid zu geben, ob er die Widmung annehme. Vor lauter Aufregung irrte Bruckner den ganzen Nachmittag ziel- und planlos durch die Straßen von Bayreuth, geriet dabei auf den Bauplatz des Festspielhauses, kletterte dort herum, vergaß dabei zeit und Ort des Stelldicheins und mußte schließlich voller Kalk und Staub durch einen ausgesandten Diener Wagners von einem hohen Gerüste heruntergeholt werden. Notdürftig gesäubert langte er in der Villa Wahnfried an, wo ihn Wagner zur Begrüßung sofort umarmte und abküßte. Da konnte Bruckner die Tränen nicht zurückhalten und schluchzte laut vor Freude, als Wagner mit höchst ehrenden Worten die Widmung annahm. Zweieinhalb Stunden saßen die beiden dann gemütlich beisammen, wobei Bruckner zwar unter ständigem Sträuben, aber doch recht gern dem ausgezeichneten "Weihenstephan" zusprach. Überglücklich verließ er schließlich das gastliche Haus, nachdem ihm Wagner noch sein Grab (!) gezeigt hatte. Am nächsten Morgen war Bruckner todunglücklich. Beim besten Willen konnte er sich nicht mehr daran erinnern, für welche der beiden Symphonien sich Wagner entschieden hatte. Ja, das "Weihenstephan-Bier"! Erst ein freundlicher Brief Wagners, der nochmals für die Widmung der d-moll –Symphonie dankte, verscheuchte die letzten Zweifel.

Quelle: Hans Commenda: Geschichten um Anton Bruckner", Verlag H.Muck