Eine verunglückte Ausrede

In den letzten Linzer Jahren unterrichtete Bruckner die Tochter eines Statthaltereirates im Klavierspiel und Gesang. Dabei wurde er manchmal von der gräflichen Familie der Nachmittagsjause beigezogen. Bei solchen Gelegenheiten wirkte Bruckners übertriebene Höflichkeit unwillkürlich recht komisch. Jeden Schluck Kaffe und jedes Stückerl Gugelhupf ließ sich Bruckner förmlich aufnötigen, obwohl er sonst gewaltig in die Schüssel zu hauen pflegte. Er glaubte aber, daß dieses zieren zum guten Ton gehöre. So tat er denn so förmlich und redete so gezwungen, daß die Kinder des Hauses ein ums andere Mal in ihre Servietten hineinkicherten. Als er nun wieder einmal ebenso herzlich wie dringlich zum Zulangen aufgefordert wurde, stieß Bruckner in seiner Verlegenheit schließlich die seltsame Entschuldigung hervor: "Dank schön, dank tausendmal, i kann wirkli(ch) nimmer, gnädige Frau Baronin, wirkli(ch) nimmer, mir graust schon!"
Wie und wo hätte der arme Schulmeisterbub aus Ansfelden, der demütige Schulgehilfe von Windhaag, die Umgangsformen der großen Welt lernen sollen? Seine Welt war die Kunst. Dort kannte er keine Befangenheit. Dort gibt er den Ton an, heute noch.

Quelle: Hans Commenda: Geschichten um Anton Bruckner", Verlag H.Muck